Herr Dr. Sattler, wie beurteilen Sie die Gefahr, dass durch die Schönheitschirurgie ein übertriebener Schönheitswahn entsteht?
Diesen Gedankenschluss halte ich für theoretisch, denn die Realität widerspricht dieser Vermutung: In anderen Ländern verzeichnen Schönheitschirurgische Eingriffe hohe Zuwachsraten, aber in Deutschland hat sich die Zahl der ästhetischen Behandlungen in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Einzige Ausnahme sind ästhetische Eingriffe bei Männern, die jedoch im Gesamtverhältnis nur cirka zehn Prozent aller Patienten ausmachen. Für mich ist das kein Ausdruck eines übertriebenen Schönheitswahnes.
Ist Schönheit für die Menschen hier weniger wichtig als zum Beispiel in den USA oder in Großbritannien?
Nur wenige Deutsche verstehen, was ein gepflegtes und attraktives Äußeres bedeutet - und zwar bis ins hohe Alter hinein. Es bestürzt mich immer wieder, dass in Deutschland weniger Geld für Körperpflege ausgegeben wird, als in manchen Entwicklungsländern! Hierzulande heißt es: Schauen Sie, ich habe ein Leben lang Nivea geschmiert und wie toll doch noch meine Haut aussieht! Was den Umgang mit dem eigenen Erscheinungsbild angeht ist Deutschland eine Ästhetikwüste.
Sie vergleichen Ihre Arbeit mit der eines Psychologen. Welche mentale Kraft geht von äußerer Schönheit aus? Macht Schönheit glücklich?
Meine Arbeit hat sehr viel mit Psychologie und Einfühlsamkeit zu tun hat. Patienten, die sich zu einer ästhetischen Behandlung durchringen, vollziehen in vielen Fällen einen Prozess der gesunden Konfliktbewältigung. Sie setzen sich mit sich selbst auseinander, mit ihrer Lebenssituation und ihrer Partnerschaft. Sie suchen nach Wegen, etwas zu verändern. Diesen Menschen bringe ich großen Respekt entgegen, da sie den Mut haben, sich aktiv mit seinem Problem auseinander zu setzen und Lösungen herbeizuführen. In meiner langjährigen Praxis habe ich festgestellt, dass die meisten Patienten psychisch stabilisiert aus einer ästhetischen Behandlung hervorgehen, weil sie stolz auf sich sind. Nicht nur, weil sie sich attraktiver und selbstbewusster fühlen, sondern auch, weil sie ein Ziel erreicht haben, das Sie sich selber gesteckt haben. Die Frage, ob Schönheit glücklich macht, ist nicht so einfach zu beantworten, denn jeder Mensch hat eine andere Definition von Glück. Was sicherlich ein Irrglauben ist, ist, dass eine Schönheits-OP automatisch auch glücklich macht. Aber das Ergebnis einer ästhetischen Behandlung kann sicherlich Umstände schaffen, die es leichter machen, das zu finden, was das eigene Leben in glücklichere Bahnen lenkt. Wenn ich zum Beispiel mein Äußeres durch eine ästhetische Behandlung positiv verändere und mit anderem Selbstbewusstsein durch die Welt gehe, hat dies automatisch Einfluss auf mein gesamtes soziales Umfeld. Die Chance, eine positive Resonanz auszulösen, ist stärker als vorher, was bedeutet, dass sich meine emotionale Zufriedenheit mit großer Wahrscheinlichkeit erhöht. Dies bedeutet natürlich noch lange nicht, dass sich alles in meinem Leben zum Guten wendet, aber ich formuliere es mal so: Ich erhöhe meine Chancen.
** Sie machen älteren Menschen, die sich einer ästhetischen Behandlung unterziehen, Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität. Wieso rekrutieren sich ausgerechnet aus der Pro-Aging-Bewegung viele Kritiker der Schönheitschirurgie?**
Ich glaube, nicht jeder hat verstanden, was altersgerechte ästhetische Medizin bedeutet, dass in der Schönheitschirurgie das Skalpell nur ein Instrument von vielen ist und heutzutage mit vielen andern, sanfteren Methoden gearbeitet werden kann, um Alterungsprozesse aufzuhalten oder vorzubeugen. In vielen Fällen bestehen Berührungsängste auf Grund von Halbwissen und suggestiver Schlagzeilenmeinungen. Interessant ist, dass oft gerade die vehementesten Kritiker zu überzeugten und glücklichen Patienten werden, wenn sie verstehen und am eigenen Körper erleben, was ästhetische Medizin tatsächlich bedeutet und bewirkt. Davon abgesehen muss eines klar sein: Zufrieden alt werden braucht mehr als nur Ästhetik: Altersgerechtes Sporttraining, hormonelle Diagnostik und eventuelle Therapie gehören genauso dazu wie eine internistische Vorsorge-diagnostik und Begleittherapie, eine bewusste, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und geistige Herausforderungen und Zufriedenheit.
Gibt es ein allgemeingültiges Prinzip, wonach sich Attraktivität messen lässt? Welche Kriterien legen Sie Ihren Behandlungen zugrunde?
Viele denken, Attraktivität bemisst sich rein subjektiv. Das ist aber nur bedingt richtig. Es gibt allgemeingültige ästhetische Regeln, aus denen ich Behandlungsart und - umfang ableiten kann. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zum Beispiel gezeigt, dass es eine mathematische Gesetzmäßigkeit gibt, welche Proportionen zwischen Taille und Hüfte als idealtypisch empfunden werden. Eine von der Universität Erlangen durchgeführte Studie hat eindeutige Ergebnisse erbracht, welche Charakteristika eines Gesichts als mehr oder weniger attraktiv empfunden werden. Ich persönlich bemühe auch gerne den Vergleich mit der Natur: Ich orientiere mich bei der Behandlung meiner Patienten an Menschen, die zeigen, wie gut man in einem bestimmten Alter aussehen kann - und zwar ohne einen ästhetischen Eingriff. Ziel einer ästhetischen Behandlung ist nicht, aus einem 60-jährigen einen 40jährigen zu machen. Ziel ist, aus einem 60-jährigen, der sich nicht mehr mit sich selber identifizieren kann oder unzufrieden mir seinem Äußeren ist, wieder zu einem attraktiven Menschen zu machen, der sein Alter nicht versteckt, aber das Beste daraus macht. Es ist wichtig, jede Behandlung so durchzuführen, dass das Ergebnis nicht als unnatürlich empfunden wird. Die Art der Schönheitsmedizin, für die ich eintrete, kann daher auch als „natürliche Schönheitsmedizin” bezeichnet werden.
Ist man nach jeder Schönheitsoperation schöner als vorher?
Das ist, glaube ich, der grösste Irrtum, auf den man hereinfallen kann. Schön sein wird von vielen Details beeinflusst, im Besonderen von einer inneren Harmonie und Authentizität. Viele Eingriffe, bzw. Maßnahmen führen zu einem unkalkulierbaren Endergebnis, das ohne weiteres mit einem Verlust an Attraktivität einhergehen kann. Deshalb muss eine Maßgabe sein, mit Augenmaß und Besonnenheit an jeden einzelnen Schritt der Therapie heranzugehen. Es gibt einige Beispiele wie Michael Jackson, der durch die vielen Eingriffe in seinem äußeren Profil sehr gelitten hat. Dies hat seine Karriere stark belastet und letztendlich auch zum Scheitern gebracht.
Ihre 16 jährige Tochter möchte eine Schönheitsoperation durchführen lassen. Was sagen Sie ihr?
Ich sage ihr, dass ich Verständnis für sie habe, eine Maßnahme bei Ihr aber nicht befürworten und durchführen kann, da sie zu jung und von ihrer mentalen Reife für einen solchen Eingriff noch nicht geeignet ist.
Welches sind die größten Risiken bei einer Schönheits-OP?
Bei einigen Patienten aber auch bei einigen behandelnden Ärzten herrscht im Umgang mit den Möglichkeiten der Schönheitschirurgie eine gewisse Fastfood-Mentalität. Verpfuschte OPs, die mitunter erhebliche medizinische Leidensgeschichten nach sich ziehen, sind die Folge. Ich habe schon viele Patienten gehabt, die sich nach einer falschen Behandlung Hilfe suchend an mich gewandt haben. Aus meiner Sicht ist ein intensives Arzt - Patient - Verhältnis, das ausführliche Vor- und Diagnostikgespräche beinhaltet, die effektivste Art, Risiken zu vermeiden.
Herr Dr. Sattler, was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?
Je älter ich werde, desto häufiger gibt es Momente, in denen ich mich selbst nicht mehr erkenne oder mich mit meinem Spiegelbild nicht mehr identifizieren kann, zum Beispiel weil ich denselben Bauchansatz wahrnehme, den schon mein Vater hatte oder insgesamt feststelle, dass der natürliche Alterungsprozess meines Körpers kontinuierlich fortschreitet. Ich glaube jeder kann verstehen, dass dies nicht die größten Glücksmomente bei mir auslöst. Es fällt mir nicht schwer, mich mit meinen Patienten zu identifizieren. Daher ist es mir auch so wichtig, ihnen Mut zu machen, ihre Probleme in Angriff zu nehmen und im Idealfall zu überwinden. Wenn Sie mich also fragen, ob ich ästhetische Veränderungen an mir vornehmen lassen würde, kann ich dies mit einem eindeutigen „JA” beantworten.
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