Das tückische an Pankreaskrebs ist, dass die Krankheit über viele Jahre unentdeckt im Körper lauert, ehe sie sich bemerkbar macht. So zeigt die genetische Analyse von langsam wachsenden Tumoren, wie dem Bauchspeicheldrüsenkrebs, dass die ersten Mutationen bis zu 20 Jahre früher auftreten, ehe sie tödlich enden. Ein weiteres Problem zeigt sich in der Tatsache, dass der Tumor außerordentlich früh Metastasen streut. Zudem zeigen Statistiken, dass sie sich die Überlebensrate den letzten 40 Jahren nicht wirklich verbessert hat. Nur sieben von hundert Betroffenen überleben nach erfolgter Diagnose die aggressive Krankheit, die selten auf eine Behandlung anspricht.
Wissenschaftler untersuchten Gewebeproben, die von primären Tumoren in der Bauchspeicheldrüse und aus anderen Bereichen des Körpers, also von Metastasen, stammten. Die DNA in jedem Gen dieser Tumore wurde sequenziert und nach Anzeichen für Mutationen gesucht. Jeder metastasische Tumor verfügte durchschnittlich über 61 krebsbedingte Mutationen. Zwei Drittel dieser Mutationen konnten auch im Tumor in der Bauchspeicheldrüse nachgewiesen werden.
Derartige genetische Mutationen entstehen mit einer relativ gleichmäßigen Geschwindigkeit. Aus diesem Grund liefert die Ansammlung der Mutationen einen Hinweis darauf, wie lange sich die Krebserkrankung in den einzelnen Stadien der Krankheit bereits entwickelt hat. Mit Hilfe dieser molekularen Uhr schätzten die Wissenschaftler, dass es durchschnittlich 11,7 Jahre dauerte bis eine einzelne genetische Mutation in einer Zelle der Bauchspeicheldrüse zu einer fertigen Tumorzelle wurde.
Danach dauerte es durchschnittlich weitere 6,8 Jahre bis sich Metastasen bildeten. War dieses Stadium erreicht, vergingen in den meisten Fällen bis zum Tod des Patienten weniger als drei Jahre. Es ist also laut den Wissenschaftlern davon auszugehen, dass die Entwicklung der Krankheit im Durchschnitt mehr als 20 Jahre dauerte.
Laut dem Wissenschaftler Bert Vogelstein hatte es zwei Theorien gegeben, warum Tumore der Bauchspeicheldrüse so tödlich sind: Entweder, sind sie von Anfang an sehr aggressiv oder, dass die Krankheit ist zum Zeitpunkt der Diagnose bereits sehr weit fortgeschritten. So weiß man, dass eine chronische Entzündung des Pankreas ein wichtiger Risikofaktor ist, der die Wahrscheinlichkeit, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken, 15-fach steigert.
„Wir gehen davon aus, dass die Fähigkeit zur Metastasierung häufig bereits vorhanden ist, bevor sich eine Zelle überhaupt in eine Krebszelle verwandelt hat“, sagt Jörg Hoheisel vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Das widerspricht der klassischen Vorstellung, dass Krebszellen erst im Laufe des Tumorwachstums durch mehrere aufeinanderfolgende Mutationen dazu in die Lage versetzt werden, sich vom Tumor zu lösen, ihr Ursprungsgewebe zu verlassen und auf Wanderschaft zu gehen.
Eine Arbeit des Deutschen Krebsforschungszentrum und Kollegen zeigt, dass “microRNA die Fähigkeit von Krebszellen der Bauchspeicheldrüse unterdrückt in umgebendes Gewebe einzuwandern und Metastasen zu streuen”. microRNAs sind nur etwa 20 Bausteine lange Moleküle, die vielfältige Zellfunktionen steuern. Die Forscher prüften, ob Abweichungen, die nicht die grundlegende Sequenz der menschlichen Erbsubstanz verändern, in den Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) auf die Produktion dieser Steuermoleküle Einfluss haben. Besonders auffällig dabei war ein Gewebetyp namens miR-192, welcher in der gesunden Bauchspeicheldrüse reichlich vorkommt, nicht aber im entzündeten oder entarteten Gewebe. Anhand des miR-192 Spiegels der Zellen konnten die Forscher mit sehr hoher Sicherheit zwischen normalem und chronisch entzündetem Pankreas unterscheiden, ebenso zwischen gesundem Pankreas und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ob sich miR-192 als klinischer Marker für die Prognose von Bauspeicheldrüsenkrebs eignet und möglicherweise den Weg zu neuen therapeutischen Ansätzen oder zu Präventionsstrategien weist, muss noch geprüft werden.