Eine Infektion mit Hepatitis-Viren kann im schlechtesten Fall zum Leberversagen führen. Denn, so fand ein Team der Technischen Universität München (TUM) heraus, Immunzellen greifen Zellen des Blutgefäßsystems an und stören so die Blut- und Nährstoffversorgung des Organs. Erst das ruft die massiven Schäden hervor, die zum Leberversagen führen. Sie identifizierten im Tiermodell einen Wirkstoff, der diese tödlichen Prozesse verhinderte.
Eine Infektion der Leber mit Hepatitis Viren, wie dem Hepatitis B Virus, kann sehr unterschiedlich ablaufen: die Leberentzündung (Hepatitis) kann problemlos ausheilen, chronisch werden, so dass eine lebenslange Einnahme von Medikamenten notwendig ist, oder sie kann fulminant verlaufen. Die immunvermittelten Schäden in der Leber sind dann so stark, dass es zum Leberversagen kommt und als letzte mögliche therapeutische Maßnahme nur noch eine Lebertransplantation bleibt.
Das Ziel der Viren sind die Leberzellen, sogenannte Hepatozyten. Das Immunsystem versucht die Infektion dadurch in den Griff zu bekommen, indem sie mit Hilfe von bestimmten Immunzellen, den T-Killerzellen, die infizierten Leberzellen angreift und abtötet. Bisher wurde angenommen, dass dieser Prozess für die starken Organschäden bei einer akuten Hepatitis verantwortlich ist. Dr. Dirk Wohlleber, Forschungsgruppenleiter an der TUM und Percy Knolle, Professor für Molekulare Immunologie, haben mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der Universität Würzburg und der Universität Bonn, nun eine ganz andere Erklärung für das Problem gefunden: Nicht der Tod der Leberzellen, sondern Defekte im Blutgefäßsystem sind die Gründe für das Versagen des Organs.
In der Leber gibt es wichtige Zellen, die sinusoidale Leberendothelzellen, kurz LSECs. Sie sind die Verbindung der Leberzellen zum Blutgefäßsystem und regeln den Austausch von Nähstoffen und Sauerstoff mit dem Blut. Sie haben zudem die Fähigkeiten kleine Teile von Viren auf ihrer Außenseite zu präsentieren, ähnlich wie Zellen des Immunsystems. Die Forscherinnen und Forscher beobachteten, dass die T-Killerzellen diese Virenstücke spezifisch erkannten. Sie hielten LSECs für infizierte Leberzellen und töteten sie. Dafür nutzten sie Proteine, die sich in die Zellmembran der Zielzelle einbauen und eine Pore bilden. Diese sogenannten Perforine durchlöchern die Membran und zerstören die Zelle.
„Wir haben beobachtete, dass das Abtöten der LSECs durch die Immunzellen massive Auswirkungen auf das Lebergewebe hat. Der Blutfluss in der Leber ist massiv gestört und das führt dazu, dass sehr viele - auch nicht-infizierte - Leberzellen sterben. Die Auswirkung dieser Immunantwort ist sehr viel dramatischer als der Angriff auf die eigentlich infizierten Leberzellen.“, erklärt Wohlleber. Möglich war diese Erkenntnis nur, weil die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein neues Mausmodell entwickelten, dass ausschließlich diesen fulminanten Verlauf der Virushepatitis nachbildet.
„Erst jetzt, wo wir den eigentlichen zerstörerischen Mechanismus bei einer akuten Hepatitis kennen, können wir auch bei der Hepatitis-Therapie in neue Richtungen denken und diesen Prozess gezielt angreifen.“, so Knolle. Sie konnten in ihrem Mausmodell zeigen, dass ein neuer Wirkstoff eine fulminante Hepatitis verhindert. Es handelt sich dabei um einen Perforin-Inhibitor, der die Porenbildung durch Killer-T-Zellen verhindert und damit auch den Angriff auf LSECs hemmte. Die Mäuse konnten durch den Einsatz des Wirkstoffs vor einer fulminanten Hepatitis bewahrt werden, weil die LSECs und damit die Blutversorgung der Leberzellen intakt blieben.
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