Die Gynäkologin Dr. Eva-Marie Braun1 vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg berät Patientinnen im Rahmen der NATUM-Sprechstunde zu integrativen Maßnahmen im Rahmen der leitliniengerechten Tumorbehandlung.
Es ist mein persönliches und berufliches Ziel, integrative Medizin zu leben und zu verbreiten, denn sie ermöglicht nicht nur ein sinnvolles Nebenwirkungsmanagement, sondern ist meiner Meinung nach notwendig, weil sie im Umkehrschluss auch den Umgang mit schulmedizinischen Maßnahmen verbessert: Patienten, welche z.B. nicht durch eine krebsbedingte Müdigkeit isoliert sind, nehmen eher Chemotherapie- oder Kontrolltermine wahr – nicht zuletzt, weil sie als „Rückendeckung“ wissen, wie sie Nebenwirkungen selbst in den Griff bekommen können.
In unsere Sprechstunde kommen Patientinnen aus Abteilungen unserer Klinik ebenso wie von außerhalb. Die Onkologen bzw. wir als gynäkologische Onkologen steuern die Tumortherapie, während unsere integrative Therapie dafür sorgt, dass die Nebenwirkungen geringer ausfallen und ein weitgehend „normaler“ Lebensstil möglich ist. Hierbei arbeiten wir Hand in Hand.
Meiner Meinung nach ist das A und O vor jeglicher Behandlungsplanung ein ganzheitlicher Blick auf den Patienten, welcher sich auf jeden Lebensbereich bezieht. Das beinhaltet zum Beispiel den Schlafrhythmus, die Ernährung, das soziale Umfeld, Probleme in der Sexualanamnese oder psychische Vorbelastungen.
Abgestimmt auf die jeweils vorherrschenden Probleme (Temperaturempfindlichkeit, Schlafprobleme, Schmerzen) entwickeln wir gemeinsam mit der Patientin ein integratives Behandlungskonzept, das wir in regelmäßigen Abständen anpassen. Entsprechend variabel gestaltet sich die Behandlungsempfehlung.
Einige grundlegende Maßnahmen gehören fast immer dazu: Die Kombination aus Ausdauer- und Kraftsport, Ernährungsempfehlungen und Entspannungsmaßnahmen (je nach Neigung zum Beispiel TaiChi, Traumreisen, Meditation). Oft verweise ich auf das Angebot der Psychoonkologie in unserem Haus. Zu den weiteren Maßnahmen gehören Naturheilverfahren, Homöopathie, Anthroposophische Medizin mit der Misteltherapie, Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin, orthomolekulare Medizin, Physiotherapie, Hydrotherapie mit Kneipp´schen Anwendungen, Paar- oder Sexualtherapie.
Unsere Erfahrungen mit der Misteltherapie sind sehr gut – vor allem nach einer Chemotherapie erfahren die Patientinnen eine Grundstabilisierung bezüglich Stimmung, Tagesrhythmus und Körpertemperatur. Die Frauen berichteten, dass sie sich „normaler“ fühlen, teils wie vor der Erkrankung. Das erscheint nicht bahnbrechend, doch ich bewerte diesen Aspekt als überaus positiv: Gerade in dieser Zeit brauchen die Patientinnen das Gefühl, dass in ihrem Leben wieder ein Stück Normalität einkehrt.
So viele Lebensbereiche bekommen durch die Tumordiagnose und -therapie Risse, oft geht das Vertrauen in den Körper verloren. Dank der Misteltherapie empfinden sich die Patientinnen nicht mehr als so „krank“, sie unterwerfen sich nicht fremdgesteuert einer Behandlung, sondern gestalten ihre Therapie aktiv mit.
Dr. med. Eva-Marie Braun, Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin, Kirrberger Straße 100, 66421 Homburg ↩