Jeder Dritte Deutsche leidet darunter, aber keiner spricht darüber. Zu groß ist die Stigmatisierung. Der Tag der Psychotherapeuten am 5. Februar soll dies nicht nur aufbrechen, sondern auch über Missverständnisse aufklären.
Zuerst ist es wichtig, sich dafür ehrlich zu fragen, wie sehr das Problem einen im täglichen Leben einschränkt und wie intensiv der Leidensdruck ist. Erste Anzeichen für eine psychische Erkrankung sind, wenn der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewerkstelligt werden kann. Zum Beispiel, weil die Angstgefühle bei der Nutzung von Bus und Bahn so stark zugenommen haben, dass nicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit und Co. gefahren werden kann. Betroffene müssen sich zusätzlich auch Gedanken über die Intensität des Problems und die Auswirkungen auf die eigene Lebensqualität machen und dies gegebenenfalls mit vertrauten Personen besprechen. Eine zweite Meinung hilft hier oft, um das eigene Problem besser einschätzen zu können. Die nächste Anlaufstelle sollte dann der Hausarzt sein, um mögliche Schritte zu besprechen.
Entscheiden sich Betroffene dazu, ein Problem innerhalb einer Psychotherapie anzugehen, haben sie eine maßgebliche Hürde bereits genommen. Die anschließende Suche nach dem passenden Therapeuten und der richtigen Therapie ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Zu beachten ist dabei, dass sämtliche durch die Solidargemeinschaft getragenen und die gesetzliche Krankenversicherung erstatteten Behandlungen bestimmten Kriterien entsprechen müssen. Die rechtliche Grundlage dafür bildet das Sozialgesetzbuch V § 12 Absatz 1. Hier ist festgelegt, dass eine erstattungsfähige Leistung ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig sein muss. Bezogen auf die Psychotherapie wird das Gebot der Notwendigkeit vor allem über die Form der Erkrankung definiert. Eine durch die gesetzlichen Kassen finanzierte Therapie ist also nur dann möglich, wenn beim Patienten eine “psychische Störung mit Krankheitswert” vorliegt. Behandlungen also, die zum Beispiel der Erziehungsberatung, Lebenshilfe, Ehe- und Sexualberatung dienen, müssen privat organisiert und finanziert werden.
Angebote für Psychotherapie und Beratung sind auf den ersten Blick - zumindest für Selbstzahler - reichlich vorhanden. Besonders im Internet staunen Therapie-Interessenten über die vielfältigen Methoden, die teilweise unter exotischen Bezeichnungen zu finden sind. Psychologische Psychotherapeuten sind für alle Erkrankungen zuständig, die durch psychotherapeutische Gespräche und Übungen behandelt werden können, wie etwa Zwänge, depressive Verstimmungen, Sucht oder Komplexe. Häufig arbeiten sie mit Psychiatern zusammen, um begleitend eine medikamentöse Behandlung einzuleiten. Der Psychiater wiederum ist der Facharzt für die Behandlung psychischer Erkrankungen. Er betreibt Psychotherapie und verschreibt Medikamente (Psychopharmaka). Auch Heilpraktiker bieten in Deutschland ihre Dienste in der Psychotherapie an. Aber Achtung: Im Gegensatz zu Ärzten und Psychologen müssen sie über kein fachspezifisches Universitätsstudium oder eine gleichartige Ausbildung verfügen.
Wichtig hierbei ist vor allem eins: das Vertrauen in den Therapeuten. Das Erstgespräch sollte deshalb immer auch dafür genutzt werden, um ein Gefühl für den Psychotherapeuten zu erhalten und bei Bedarf auch nach einer Alternative zu suchen. Stimmt die persönliche Chemie nicht, beeinträchtigt dies wesentlich den Verlauf der Psychotherapie - und das unabhängig von den konkreten Beschwerden. Aktuell geht die Forschung davon aus, dass 5 bis 10 Prozent des Behandlungserfolges abhängig von der Person des Psychotherapeuten sind. Alter, Geschlecht oder Berufserfahrung haben dabei keinen Einfluss auf den Therapieerfolg einer Behandlung. Vielmehr ist es die ähnliche Einstellung von Patient und Psychotherapeut, die unterstützend wirkt. Einem respektvollen, empathischen und authentischen Auftreten des Therapeuten bringen Patienten Vertrauen entgegen, was wiederum den Grundstein einer konstruktiven Beziehung bildet.
In puncto Kosten unterscheidet sich eine Psychotherapie erheblich von zahlreichen anderen medizinischen Behandlungen. Während eine akute Infektion oder eine Zahnbehandlung häufig nur überschaubare Arzttermine und die Verschreibung eines Medikaments erfordern, entfaltet eine Psychotherapie ihre Wirkung erst durch regelmäßige Sitzungen über mehrere Monate. Hier fallen 25 Stunden für eine Kurzzeittherapie bis hin zu 300 Stunden Psychoanalyse finanziell weitaus stärker ins Gewicht als im Vergleich zu anderen Erkrankungen. Betroffene sollten daher vor allem folgendes beachten: Gesetzliche Krankenkassen übernehmen nur Behandlungskosten bei Psychiatern und approbierten, psychologischen Psychotherapeuten, die in einem der drei Richtlinienverfahren praktizieren (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Psychoanalyse).
Ausschlaggebend dafür ist das jeweilige Krankheitsbild. Die Kurzzeittherapie wird bevorzugt zur Krisenintervention genutzt, wie etwa im Falle einer Scheidung, des Todes eines nahen Angehörigen oder in anderen schwer zu tragenden Lebenssituationen. Eine Langzeittherapie hingegen wird bei schweren Depressionen, tiefgreifenden Persönlichkeitsstörungen oder chronischen seelischen Belastungen eingesetzt, um ganz behutsam einen gangbaren Weg aus oder auch mit der Krankheit zu erarbeiten.
Jede Therapie ist individuell. Nach einer Suche und dem ersten Herantasten verschafft sich der Therapeut im Erstgespräch einen Überblick, erstellt eine vorläufige Diagnose und beantragt dann bei der Krankenkasse die entsprechende Anzahl an therapeutischen Sitzungen: Bis zu 30 Termine fallen in die Kategorie Kurzzeittherapie, die bei Bedarf verlängert werden kann. Es kann aber auch von vornherein eine Langzeittherapie eingeplant werden. Danach geht es in den einzelnen Sitzungen darum, den Betroffenen bei der Aufarbeitung und Bewältigung ihres Problems zu helfen.
Auch wenn die Hürde zunächst hoch erscheint und sich Betroffene häufig unzulänglich fühlen, sobald von Psychotherapie und einer psychischen Erkrankung die Rede ist: Überwindung und Aufwand lohnen sich! Wichtig ist es, sich den Problemen zu widmen, damit diese ihre Macht verlieren. Ungesunde Verhaltensmuster können so genauestens betrachtet und langfristig korrigiert werden. Eine professionelle Psychotherapie eröffnet Betroffenen die Möglichkeiten, gezielt und mit Hilfe gegen Ängste vorzugehen. Eine gestellte Diagnose ist also vielmehr eine Chance, gesund zu werden, als die Last der Gewissheit.
So wie verschiedene Patienten ein Medikament unterschiedlich gut vertragen, passt nicht jede psychotherapeutische Behandlung gleich gut zu jeder Persönlichkeit. Bei etwa 3 von 100 Patienten hat sich die belastende Symptomatik nach Abschluss der Psychotherapie sogar verschlimmert. Die Betroffenen leiden unter Konzentrationsschwäche und fühlen sich weniger belastbar. Sie sind trauriger als vor der Behandlung oder sorgen sich, dass Außenstehende von der Therapie erfahren. In solchen Fällen sollte eine zweite Meinung eingeholt und gegebenenfalls der Therapeut gewechselt werden, um so eine andere Richtung in der Behandlung einzuschlagen.
Eine gewisse Unsicherheit und Angst vor einem Rückfall ist normal. Wichtig ist, dabei immer im Blick zu haben, welche Erfolge während der Behandlung erzielt wurden. Betroffene müssen nun vor allem ihre Fortschritte feiern. Während der Therapie wurden Ursache und Wirkung, also bestimmte Verhaltensmuster, gezielt erkannt und müssen nun mit in den Alltag übernommen werden. Rückschläge kann es immer geben. Betroffene sollten insbesondere dann nicht verzweifeln und sich eher auf die Suche nach der Ursache begeben. Veränderungen der eigenen Verhaltens- oder Denkweisen verlaufen nie gradlinig. Wichtig hierbei ist, das Vertrauen in sich selbst wieder zu aktivieren, um so auch nach dem Therapieende Erfolge zu sehen.
Psychologio ist eine übergreifende, digitale Service-Plattform, welche die psychotherapeutische Versorgungslücke zwischen Betroffenen, Psychotherapeuten und Krankenkassen in Deutschland schließt. Gegründet wurde sie von Dr. Anabel Ternès und Julian Maar mit Sitz in Berlin.
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