Bereits die 2007 publizierte Studie „Mortality in Ramdomised Trials of Antioxidant Supplements for Primary and Secondary Prevention” sorgte in der Öffentlichkeit für ganz erhebliche Verunsicherung. Dieser Publikation zufolge sollen Vitamine, vor allem diejenigen, die auch antioxidative Eigenschaften aufweisen, nicht nur unwirksam sein, sondern sogar die Lebenserwartung „signifikant” verkürzen. Die Wissenschaftler analysierten mehr als 815 klinische Untersuchungen zu den Leistungen von Vitamin A, C, und E, Beta-Karotin sowie Selen. Schließlich wählten sie 68 Studien mit insgesamt 232606 Teilnehmern aus, die, ihrer Einschätzung nach, ein genaues Bild von der Wirkung der Vitaminpräparate geben könnten. Nach Auswertung - einer Meta-Analyse - schlussfolgerten die Autoren, dass das Todesrisiko bei Selen und Vitamin C unverändert sei, dass jedoch Vitamin A, E und Beta-Karotin eine „signifikante” Erhöhung des Risikos aufweisen. Für dieses erhöhte Todesrisiko gäbe es unterschiedliche Erklärungen. Eine davon sei, dass Antioxidantien freie Radikale ausschalten und daher die natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers negativ beeinflussen könnten.
Soweit so gut. Bei genauerer Betrachtung der Untersuchung stößt man jedoch unweigerlich auf Mängel sowohl in der Datenauswertung als auch der Datenpräsentation - selbst wenn sie in einer so bekannten und angesehenen Zeitschrift, wie es die JAMA ist, publiziert worden ist.
Trotz der fast schon willkürlich scheinenden Auszählung von Todesfällen bei Teilnehmern, die zusätzlich Antioxidantien eingenommen hatten zeigte die Gesamtauswertung der Daten KEINE Zunahme der Sterblichkeit! Und diese Aussage gilt für alle Antioxidantien, in einem sehr breiten Dosisbereich, sowohl für eine kurzfristige als auch langfristige Einnahme, für den Gesunden ohne Vorerkrankung sowie für Patienten.
Nach einer überstandenen Pandemie durch das Corona-Virus greifen wir alle vermehrt zu Vitaminpräparaten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Fast ein Drittel der Bevölkerung nimmt regelmässig Vitamine ein. Der Markt boomt, die Apotheker haben 2020 knapp 2,3 Milliarden Euro über Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Fraglos trug dazu auch Corona bei. Denn wie wichtig ein gutes Immunsystem ist, das musste man während der Pandemie teilweise schmerzlich erleben.
On Top beim Ranking liegen die Kombinationspräparate. Denn erstens, so die gängige Meinung vieler, schaden sie nicht, wenn sie schon nicht helfen und zweitens unterstützen sie das Immunsystem. Und nicht nur das, wenn man den Herstellern Glauben schenkt. Da schreckt der ein oder andere Hersteller keineswegs vor Behauptungen zurück, seine Pillen oder Säfte können Krebs heilen und selbstverständlich auch vor Corona schützen.
Leider sind alle diese Behauptungen falsch. Die Einnahme von Vitaminpräparaten ist fast immer unnötig und mitunter gar nicht so unschädlich, wie immer behauptet wird. Denn „bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung erhält der Körper fast alle Vitamine in ausreichenden Mengen. Nahrungsergänzungsmittel sind für die meisten Menschen verzichtbar“, erklärt BfR-Präsident Andreas Hensel und fährt fort: „Wer hoch dosierte Vitamine einnimmt, ohne dass es nötig ist, riskiert eine Überversorgung und damit unerwünschte Auswirkungen auf die Gesundheit.“
Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale Hessen weiß dazu: Im besten Fall produziere man durch die unnötige Einnahme von Vitaminen teuren Urin. Im schlimmsten Fall schade man seiner Gesundheit.
Warum der Markt mit Vitaminen so boomt, liegt unter anderem darin, dass unsere Behörden die zu den Lebensmittel zählenden Nahrungsergänzungsmittel - wie Vitaminpräparate - nicht wie Arzneimittel auf Sicherheit und Qualität prüfen. Und da man nicht immer weiß, aus welchem Labor die Pillen kommen, sind die Folgen, aufgrund z. B von Verunreinigungen, mitunter unberechenbar.
Ebenfalls ein Thema, das nicht unbeachtet bleiben darf, sind mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten: So können
Eine mögliche Überdosierung kann auch durch die zusätzliche Aufnahme von Vitaminen über die tägliche Nahrung hervorgerufen werden. Verbraucherschützer warnen davor seit Jahren.
„Deutschland ist kein Vitaminmangelland. Die überwiegende Zahl der Menschen ist hierzulande mit Vitaminen ausreichend versorgt“, betonen Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Lediglich in sehr selten Fällen, wie in der Schwangerschaft, nach erfolgter Chemotherapie, nach geriatrischen Knochenbrüchen sowie bei sehr alten Menschen, aber auch bei ausschließlich veganer Ernährung ist die Einnahme von Vitaminen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll.
Zweifelsfrei ist der Verkauf von Vitaminpräparate „ein superlukratives Geschäft“. Und dem Direktvertrieb im Internet ist nur schwer beizukommen. Illegale Werbung und bezahlte Influencer in den Sozialen Medien tragen ebenso dazu bei, wie falsche Mundpropaganda. Viele Firmen haben ihren Sitz im Ausland, “… ein Riesenproblem für die Rechtsdurchsetzung“ wie die Verbraucherzentralen zu berichten wissen.
„Lasst Nahrung eure Medizin sein …”, predigten bereits um 460 c. Chr. die Hippokratischen Schriften. Schon sehr lange ist bekannt, dass bereits eine geringe Menge Obst und Gemüse mehr am Tag zur Verringerung von Bluthochdruck, Schlaganfällen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Viele Menschen nehmen jedoch lieber teuere Vitamine, als diese weitaus günstigeren, und vor allem hochwertigen Nährstoffe zu sich.
Nicht nur Experten empfehlen daher die berühmten 5 am Tag an frischem Obst, Salat und Gemüse. Damit versorgt man seinen Körper problemlos mit Vitaminen, Spurenelementen und anderen wichtigen Substanzen. Und kann sich die Kosten für teure Nahrungsergänzungsmittel sparen. In Zeiten wie diesen, durchaus eine Überlegung wert, oder?