Bereits ganz am Beginn, wenn die Rheumatoide Arthritis (RA) sich mit Morgensteifigkeit und Gelenkschmerzen bemerkbar macht, öffnet sich das therapeutische Fenster, welches sich jedoch bereits nach einigen Wochen bis maximal zu wenigen Monaten wieder schließt. Denn gerade beim klassischen Gelenkrheuma, auch als Rheumatoide Arthritis (RI) bezeichnet, hat sich die Prognose durch die immer mehr Wirkstoffe umfassende Biologikatherapie und neue Operationsmethoden deutlich verbessert. Aber nur, sofern die Behandlung rechtzeitig erfolgt. Für die Lebensqualität der Patienten ist dieses kleine Zeitfenster jedoch von enormer Wichtigkeit.
„Bei der Rheumatoiden Arthritis sollte möglichst früh mit einer medikamentösen, bei Bedarf sogar mit einer operativen Behandlung begonnen werden“, sagt Dr. med. Martin Arbogast, u.a. Chefarzt der Abteilung für Rheumaorthopädie und Handchirurgie an der Waldburg-Zeil Klinik Oberammergau. Denn durch die Entzündung werden Gelenkstrukturen geschädigt, die irreversibel verlorengehen. Je früher interveniert wird, desto effektiver können bleibende Schäden verhindert werden. Die Möglichkeit zum Hit hard and early ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Erkrankung rechtzeitig erkannt wird. „Die Möglichkeiten, eine Rheumatoide Arthritis bereits in einem frühen Stadium sicher zu diagnostizieren, haben sich seit der Jahrtausendwende deutlich verbessert“, sagt Arbogast.
Zu den wesentlichen diagnostischen Marker zählen heute Antikörper gegen sogenannte citrullinierte Peptide (ACPA), die bereits sehr früh im Blut von Betroffenen nachweisbar sind und sehr spezifisch eine RA anzeigen. Auch bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder MRT arbeiten heute mit Auflösungen, die bereits geringfügige Gelenkveränderungen erkennbar machen.
Die Behandlung des Gelenkrheuma ist wiederum durch die Einführung der Biologika revolutioniert worden. Das sind biotechnologisch hergestellte Eiweiße, die gezielt in das überschießende Immungeschehen von Rheumapatienten eingreifen. „Dass viele Gelenke gleichzeitig entzündet und geschwollen sind, sehen wir heute fast nicht mehr“, erklärt Arbogast. „Stattdessen finden sich allenfalls einzelne Gelenke, die aus ungeklärten Gründen nicht auf die medikamentöse Therapie ansprechen.“ Diese Non-Responder müssten früh erkannt und operiert werden. Nur durch das Entfernen der entzündeten Gelenkinnenhaut könne verhindert werden, dass die zerstörerische Entzündung auf darunterliegende tragende Strukturen wie den Gelenkknorpel übergreife. Mittlerweile wisse man auch, dass ein solchermaßen saniertes, „gesundes“ Gelenk auch wieder besser auf eine medikamentöse Rheumatherapie reagiere.
Auch wenn der Gelenkerhalt zunächst oberste Priorität hat und heute in vielen Fällen möglich ist – wenn ein Gelenk zu stark beeinträchtigt ist, muss es durch eine Prothese ersetzt werden. Ein künstlicher Gelenkersatz steht mittlerweile für fast alle Gelenke zur Verfügung. „Wichtigste Richtschnur bei der Entscheidung für eine prothetische Versorgung muss es sein, die Beweglichkeit des Patienten, seine Selbstständigkeit und damit seine Lebensqualität zu erhalten“, sagt Arbogast. Auch beim Gelenkersatz sei die Zeit nicht stehen geblieben, sondern arbeite für die Patienten. So sei die Beweglichkeit der künstlichen Gelenke heute deutlich besser, die Prothesen seien haltbarer und müssten seltener ersetzt werden – und nicht zuletzt bleibe deutlich mehr Knochensubstanz erhalten, sodass Implantatwechsel auch in höherem Alter besser möglich seien. Die Lebensplanung von Rheumapatienten werde damit immer weniger von ihrer Krankheit bestimmt.
Rheumatoide Arthritis
Gelenkentzündung