Am 14. Januar 2025 veröffentlichte The Lancet Diabetes & Endocrinology die Ergebnisse einer bahnbrechenden Kommission zur Definition und diagnostischen Klassifizierung von Adipositas. Diese neuen Erkenntnisse markieren einen Wendepunkt in unserem Verständnis von Adipositas, indem erstmals zwischen einer Risikokonstellation („präklinische Adipositas“) und einer eigenständigen Erkrankung („klinische Adipositas“) unterschieden wird. Ziel ist es, die Versorgung zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu steigern.
Fast ein Achtel der Weltbevölkerung ist von Adipositas betroffen, doch bislang gab es keinen einheitlichen Konsens über Klassifikation und Definition. Häufig wurde die Erkrankung allein über den Body-Mass-Index (BMI) definiert, obwohl dieser nur bedingt Rückschlüsse auf den individuellen Gesundheitszustand zulässt. Menschen mit Adipositas unterscheiden sich erheblich in ihren Gesundheitsbedürfnissen und Krankheitsbildern. Die neue Definition trägt dieser Vielfalt erstmals umfassend Rechnung.
Die Kommission unter der Leitung von Professor Francesco Rubino (Kings College London) vereinte 56 führende Experten aus Ländern mit unterschiedlichem Einkommensniveau und umfasste Disziplinen von Endokrinologie über Epidemiologie bis hin zu Public Health. Fünf Jahre lang wurde intensiv diskutiert, um eine evidenzbasierte Grundlage für die Neudefinition von Adipositas zu schaffen. Heute wird die Arbeit von mehr als 75 internationalen medizinischen Organisationen unterstützt.
Die Kommission unterscheidet jetzt zwischen
Der Body-Mass-Index (BMI), eine einfache Berechnung aus Körpergewicht und Körpergröße, wird häufig als Standardmaß für Übergewicht verwendet. Dieser Ansatz hat jedoch erhebliche Einschränkungen:
Diese Einschränkungen unterstreichen die Notwendigkeit zusätzlicher Messmethoden wie Taillenumfang, Taillen-Hüft-Verhältnis und Taillen-Größen-Verhältnis, um ein vollständigeres Bild des Gesundheitszustands zu erhalten.
Die neue Definition von Adipositas bietet eine Grundlage, um die Behandlungsmöglichkeiten besser auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen. Nachfolgend sind einige der verfügbaren Ansätze aufgeführt:
Fettwegspritze (Injektionslipolyse): Bei dieser minimal-invasiven Methode werden Fettzellen durch Injektion von Wirkstoffen gezielt zerstört. Sie eignet sich vor allem für kleinere Fettdepots wie am Kinn oder an den Hüften, nicht aber zur Behandlung von klinischem Übergewicht.
Die Abnehmspritze im Fokus: Eine der wirksamsten medikamentösen Therapien gegen Übergewicht ist die Abnehmspritze mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Sie ahmt das Hormon GLP-1 nach, das Sättigung signalisiert, die Magenentleerung verlangsamt und den Blutzucker stabilisiert.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, die häufig mit der Zeit abklingen. Die Langzeitrisiken werden noch untersucht.
Die Schlankheitsspritze hat ein großes Potenzial, sollte aber immer mit ärztlicher Begleitung und Lebensstiländerungen kombiniert werden.
Magenverkleinerung (bariatrische Chirurgie): Verfahren wie der Magenbypass oder der Schlauchmagen reduzieren das Magenvolumen, was zu einer verminderten Nahrungsaufnahme und hormonellen Veränderungen führt. Diese Eingriffe sind besonders wirksam bei klinischer Adipositas mit Begleiterkrankungen wie Diabetes.
Magenballon: Nicht-chirurgischer Ansatz, bei dem ein Ballon in den Magen eingeführt wird, um das Sättigungsgefühl zu fördern.
Ernährungstherapie: Ein individuell angepasster Ernährungsplan kann präklinische Adipositas wirksam behandeln und bei klinischer Adipositas unterstützend wirken.
Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität reduziert die Fettmasse und verbessert die kardiovaskuläre Gesundheit.
Verhaltenstherapie: Psychologische Unterstützung hilft, Essgewohnheiten zu ändern und emotionale Auslöser zu erkennen.
Die Neudefinition von Adipositas zeigt, dass eine pauschale Behandlung nicht zielführend ist. Je nach Stadium und Gesundheitsrisiko sind spezifische Interventionen erforderlich:
Die Neudefinition von Adipositas könnte dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und die öffentliche Wahrnehmung der Krankheit zu verändern. Adipositas sollte nicht mehr nur als Folge eines ungesunden Lebensstils gesehen werden, sondern als komplexes, multifaktorielles Gesundheitsproblem. Dieser Perspektivenwechsel braucht Zeit, Aufklärung und Sensibilisierung, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Medizin.
Die Neudefinition und Differenzierung der Adipositas durch die Lancet-Kommission könnte die Gesundheitsversorgung revolutionieren. Präzisere Diagnosen, individualisierte Behandlungsansätze und ein Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung ermöglichen eine zukunftsorientierte und personenzentrierte Versorgung. Langfristig könnte dieser Ansatz dazu beitragen, das globale Gesundheitssystem zu entlasten und die Lebensqualität von Millionen von Menschen zu verbessern.
Adipositas
Abnehmen
BMI
Fettleibigkeit