Seit über 350 Jahren, alle zehn Jahre, mit, den Umständen entsprechenden Ausfällen oder Verlegungen, finden sie nun schon statt: Die wohl bekanntesten Passionsspiele auf der Welt. Das fünftägige Leiden Christi, dargestellt von einem ganzen Dorf, welches dafür so manche Mühe auf sich nimmt. Und da ist das Haare wachsen lassen, sicher noch die geringste.
Am 14. Mai war es, nach zweijährier Verlegung wegen der Corona-Pandemie, nun wieder so weit. Die Spiele um die dramatischen letzten Lebenstage Jesu Christi hatten Premiere. Erneut unter der Regie von Christian Stückl. Er ist nicht nur Oberammergauer, sondern auch gelernter Holzbildhauer und seit vielen Jahren auch Indendant des Volkstheaters in München. Bei strahlendem Sonnenschein traf sich rund um das Passionsspielhaus wirklich alles, was nicht nur in Bayern Rang und Name hat und lauschte zweimal zweieinhalb Stunden den Geschehnissen auf der Bühne. 1800 Mitwirkende aus, oder zumindest in Oberammergau geborene, sorgten für ein fulminantes Bühnen-Spektakel inklusive Esel, Pferden und Kamelen. Zusätzlich gab es noch lebende Bilder aus dem Testament, bei denen sich viele fragten, wie lange man regungsloses knien mit ausgestreckter Hand und hochgerecktem Kopf aushalten kann.
Die Spiele sind gewollt politisch, der Zeit entsprechend eben, auch wenn man das vor zwei Jahren noch nicht ahnen konnte. Nichts wird beschönigt in diesem dramatischen Leidenszyklus. Es gab keine Konzessionen, weder an die einstige, noch an die heutige Kirche.
Jesus stirb wahrlich hollywoodreif am Kreuz, man spürt sein Leiden, aber auch die Trauer aller umstehenden, buchstäblich körperlich - was möglicherweise nach fast fünf Stunden (mit einer dreistündigen Pause) auch den unruhig werdenden, eigenen Gliedern geschuldet sein kann. Und auch wenn am Ende eines Passionsspiels Applaus eigentlich nicht gewollt ist, so brandete dieser am Ende doch von den hingerissenen Zuschauern auf.
Beschreiben kann man dieses religiöse Drama eigentlich nur schwer - man muss es sich einfach anschauen, mitfühlen, mitleiden - und dadurch auch verstehen. Karten gibt es bis zum Ende am 16. Oktober noch - der Besucher-Boom vor der Pandemie ist noch nicht wieder erreicht. Und ganz nebenbei bietet das nette Oberammergau ja viel mehr als nur die Passionsspiele. Sehenswert auch der mitten im Dorf stehende blau verhüllte Kubus des Museum Oberammergau, welches mit derSonderausstellung „(IM)MATERIELL – Stoff, Körper, Passion“ mit Haaren und Kostümen der Darsteller als Kunstobjekte gekonnt eine Brücke zwischen Kunst und Passionsspielen zeigt.
Weitere Infos unter: Passionsspiele Oberammergau, Ammergauer Alpen Gemeinde Oberammergau
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