Fast die Hälfte aller Schwangerschaften ist ungewollt, so dass die bestehenden Möglichkeiten der Familienplanung unzureichend sind. Seit Jahrhunderten gibt es “nur” Kondome, seit längerem zusätzlich noch die Sterilisation (Vasektomie). Aber damit sind die wirkungsvollen Verhütungsmethoden für den Mann auch schon ausgereizt. Keine Frage also, hormonfreie Kontrazeptiva werden dringend gesucht. Allerdings bislang ohne Erfolg.
Nun gibt es einen Machbarkeitsnachweis für eine innovative Strategie zur Empfängnisverhütung auf Abruf, bei der ein Mann kurz vor dem Sex eine Antibabypille nur bei Bedarf einnehmen würde. Wie eine, in Nature Communications veröffentlichte vorklinische Studie von US-amerikanische Forscher*innen zeigt, haben die Forscher in Tierversuchen erfolgreich einen biochemischen Mechanismus getestet, der die Spermien des männlichen Partners vorübergehend unfruchtbar macht.
Co-Autor dieser Studie war u. a. der Bayreuther Biochemiker Prof. Dr. Clemens Steegborn, der maßgebend dazu beitrug, dass der, für diesen Mechanismus entscheidende Wirkstoff, identifiziert wurde.
Der Forschungsschwerpunkt lag bei der löslichen Adenylylcyclase (sAC). Denn dieses Enzym produziert bei vielen physiologischen Vorgängen einen unentbehrlichen Botenstoff. Gelingt also die Aktivierung der sAC ist dies eine entscheidende Voraussetzung für die Beweglichkeit und Reifung der Spermien und somit auch für deren Fähigkeit, bis zur Membran der weiblichen Eizelle vorzudringen. Von der Aktivität dieses Enzyms sAC hängt auch die Fruchtbarkeit der Spermien ab.
Das Forscherteam setzt sich daher zum Ziel, die biochemischen Voraussetzungen eines nicht-hormonellen Verhütungsmittels für Männer auszuloten. Bekannte sAC-Inhibitoren wurden daraufhin analysiert, wie gut sie die Fruchtbarkeit von Spermien bei Bedarf zuverlässig unterdrücken können. Und tatsächlich fand sich ein sAC-Inhibitor der hierfür besonders vorteilhafte Eigenschaften mitbringt: Inhibitor TDI-11861 eignet sich als Wirkstoff für die Entwicklung eines nicht-hormonellen Verhütungsmittels sogar noch besser als andere Testexemplare. Bereits im Juli 2021 hatte der Bayreuther Biochemiker Prof. Dr. Clemens Steegborn diesen sAC-Inhibitor als möglichen Wirkstoff eines solchen Verhütungsmittels vorgeschlagen.
In weiterer Folge wurden an der Cornell University die Wirkungsweise von sAC-Inhibitoren an männlichen Mäusen getestet und die starke empfängnisverhütende Wirksamkeit bestätigte sich. Schon nach einer einzigen Injektion liegt die empfängnisverhütende Wirkung während der folgenden zweieinhalb Stunden bei 100 Prozent. Erst drei Stunden nach der Injektion beginnen einige Spermien wieder beweglich zu werden, doch die empfängnisverhütende Wirkung liegt in dieser Zeit immer noch bei 91 Prozent. Erst 24 Stunden nach der Injektion ist die normale Fruchtbarkeit der Spermien wiederhergestellt. Wichtig erscheint dabei auch die Tatsache, dass die männlichen Mäuse während der sechs Wochen, in denen ihnen sAC-Inhibitoren verabreicht wurden, keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufwiesen. Die Mäuse zeigten ein normales Paarungsverhalten, und die volle Fruchtbarkeit kehrt am nächsten Tag zurück.
Sollten auch die weiteren Versuche die erreichten Erkenntnisse bestätigen, wären die Voraussetzungen für erste klinische Versuche bei Männern gegeben.
Prof. Dr. Clemens Steegborn erklärte dazu: “… Unsere neue vorklinische Studie stellt eine entscheidende Wegmarke für die Entwicklung eines hormonfreien Verhütungsmittels dar, das zudem den Vorteil hat, dass es kurzfristig bei Bedarf in Tablettenform eingenommen werden kann … Damit steht jetzt fest, dass die sAC-Inhibition bei dieser Form der Schwangerschaftsverhütung eine Schlüsselfunktion hat … “.
Es gibt also seit langem wieder einmal berechtigte Hoffnung, dass die Antibabypille für den Mann in absehbarer Zeit kommt und künftig nicht mehr nur die Frauen dafür die Verantwortung tragen, ob sie schwanger werden oder nicht.
Quelle: PM 2-21 Universität Bayreuth
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