Das seit langem bekannte Darmhormon Sekretin hat eine neu entdeckte, zusätzliche Funktion: Es aktiviert das Energie verbrauchende Braune Fettgewebe, was Sättigung auslöst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team ist dieser wichtige Schritt gelungen.
Erst vor wenigen Wochen wurde nachgewiesen, dass Braunes Fett durch eine Mahlzeit ebenso stark aktiviert wird wie durch Kälte. Jetzt hat das gleiche Team, unter der Leitung von Professor Martin Klingenspor am Lehrstuhl für Molekulare Ernährungsmedizin des Else Kröner-Fresenius Zentrums (EKFZ) an der TU München, gemeinsam mit finnischen Forscherinnen und Forschern, den physiologischen Mechanismus dieser Aktivierung aufgeklärt.
„Wir identifizierten völlig überraschend Sekretin als entscheidenden Faktor“, berichtet Professor Martin Klingenspor vom EKFZ. Sekretin ist ein seit langem bekanntes Darmhormon. Bisher ging die Ernährungsmedizin davon aus, dass dieses Peptid als Botenstoff im Wesentlichen gastrointestinale Funktionen erfüllt. Wie etwa die Sekretion von Wasser und Bicarbonat aus der Bauchspeicheldrüse anzuregen, sobald der angesäuerte Speisebrei aus dem Magen in den Dünndarm abgegeben wird. Zusätzlich soll Sekretin über die Blutbahn als Botenstoff im Gehirn das Sättigungsgefühl fördern. Soweit der Kenntnisstand bis vor Kurzem.
Die neue Studie deckte mit molekularbiologischen Untersuchungen auf (Transkriptom-Sequenzierung), dass das Gen für den Sekretin Rezeptor auch im Braunen Fettgewebe exprimiert wird. „Stimulierten wir diesen Rezeptor in den Braunen Fettzellen mit Sekretin, konnten wir eine unmittelbare Aktivierung der Zitterfreien Thermogenese beobachten“, erklärt Prof Klingenspor.
Zitterfreie Thermogenese ist der für Braunes Fett typische Mechanismus der Wärmebildung, der jedoch nicht nur Energie verbraucht. Die Untersuchungen legen offen, dass Zitterfreie Thermogenese auch die Voraussetzung dafür ist, dass das Sättigungsgefühl im Gehirn einsetzt.
Dabei gibt es drei mögliche Kommunikationswege vom Braunen Fett zum Gehirn:
Professor Klingenspor vom EKFZ betrachtet die Wärmebildung selbst als die momentan plausibelste Möglichkeit: „Die Thermogenese im Braunen Fett führt zur Erwärmung des Blutes und einem leichten Temperaturanstieg im Gehirn; dies aktiviert Neurone, die Sättigung signalisieren.“
Die bisher geltende Lehrmeinung, dass Sekretin direkt im Gehirn auf bestimmte Nervenzellen wirkt, damit zu Sättigung führt und das Hungergefühl dämpft, wird durch diese Erkenntnisse revidiert. „Braunes Fettgewebe ist sozusagen wie eine Relaisstation dazwischengeschaltet“, fasst Prof. Klingenspor das Ergebnis zusammen. Die neu entdeckte Kommunikationskette zwischen Darm und Hirn beginnt mit der Sekretinfreisetzung beim Essen, der daraus folgenden Aktivierung der Thermogenese im Braunen Fett und einer Erwärmung im Gehirn, die das Sättigungsgefühl steigert. So verbraucht die nahrungsinduzierte Thermogenese im Braunen Fett Energie und macht satt – beides wichtige Faktoren für die Therapie und Prävention der fast schon weltweiten Epidemie Adipositas.
Wäre Sekretin in diesem Zusammenhang die richtige „Medizin“? „Nein“, stellt Klingenspor klar. Denn eine chronische Stimulierung der Bauchspeicheldrüse wäre ungünstig. Er sieht allerdings eine Möglichkeit, durch bestimmte Lebensmittel die Sekretin Produktion natürlich anzuregen, „die richtige Vorspeise könnte schneller satt machen und damit die aufgenommene Kalorienmenge reduzieren.“ Welche Nährstoffe hier in Frage kommen würden, sei Gegenstand weiterer Studien.
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